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»AG Kindesentwicklung. Von Anfang an gerecht« und »Deutsches Kinderbulletin«: jetzt – mehr Frühe Bildung wagen!Zoom Button

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»AG Kindesentwicklung. Von Anfang an gerecht« und »Deutsches Kinderbulletin«: jetzt – mehr Frühe Bildung wagen!

»AG Kindesentwicklung. Von Anfang an gerecht« und »Deutsches Kinderbulletin«: jetzt – mehr Frühe Bildung wagen!

Oranienburg/Schmachtenhagen, 8. April 2025

Chancengleichheit für Kinder ist kein »Gedöns«

Unter Experten aus Verbänden und Institutionen wächst die Sorge, dass in den Koalitionsvereinbarungen zwischen Union und SPD dringend nötige Impulse für bildungsbenachteiligte #Kinder auf der Strecke bleiben und damit auch die Chancengleichheit. Sie fordern daher die Koalitionäre auf, sich für einen Ausbau der #Frühen #Bildung einzusetzen.

Die bisherigen Nachrichten aus den Koalitionsverhandlungen lassen befürchten, dass die zukünftige Regierung angesichts der globalen Herausforderungen das Schicksal bildungsbenachteiligter Kinder in Deutschland hintenanstellt«, so Dr. Ulrich Fegeler, Sprecher der Expertengruppe, die sich zur AG Kindesentwicklung. Von Anfang an gerecht zusammengeschlossen hat. »Chancengleichheit für Kinder ist aber kein »Gedöns«, sie ist der Garant dafür, dass wir als Gesellschaft erfolgreich sind. Ohne eine Ausweitung und Verbesserung der außerfamiliären frühen Entwicklungsförderung der Kinder bei gleichzeitigen Hilfe und Unterstützungsangeboten an die Eltern werden wir auch weiterhin jedes Jahr mehr als 50.000 junge Menschen ohne Hauptschulabschluss und ohne Zukunftsperspektive haben. Mit einer verbesserten Frühen Bildung werden dagegen nicht nur die Kinder selbst, sondern die ganze Gesellschaft profitieren.

Die Experten aus Wissenschaft, Pädiatrie, Hilfesystemen sowie dem Journalismus haben ihre Forderungen an die Koalitionäre daher in einem Offenen Brief formuliert.

Offenener Brief: bildungsbenachteiligte #Kinder – dringend notwendige Schritte zur Beseitigung der Chancenungleichheit

Berlin, 9. April 2025

Wir sind eine Gruppe von erfahrenen Experten aus Wissenschaft, pädiatrischer Klinikversorgung und Grundversorgung, weiteren Systemen der Hilfe für Kinder und Familien sowie von Wissenschaftsjournalisten. Die Aussagen im Folgenden sind wissenschaftlich belegt. Unser Fokus liegt auf einer besonders vulnerablen Gruppe: Kinder und Jugendliche, die vielfach aus bildungsbenachteiligten, einkommensschwachen Familien ohne und mit Migrations hintergrund stammen. Diese sogenannten L SES Familien (Familien des unteren sozioökonomischen Status) sind überproportional häufig von sozialen und strukturellen Benachteiligungen betroffen.

Mehr als 50.000 Kinder und Jugendliche erreichen in Deutschland jährlich keinen Hauptschulabschluss, ganz überwiegend kommen diese aus L SES Familien (Holtmann, Menze & Solga, 2023). Ein Großteil der betroffenen Jugendlichen kann nur mit erheblichem Aufwand durch spezielle Förderprogramme in das berufliche und gesellschaftliche Leben integriert werden (Czock & Wölbing, 2011). Trotz dieser Maßnahmen führt dies häufig zu gesellschaftlichem Ausschluss, zudem haben diese Kinder und Jugendlichen meist einen schlechteren Gesundheitszustand. Viele der Betroffenen haben geringere Teilhabechancen und fühlen sich infolgedessen gesellschaftlich nicht repräsentiert (Shell Jugendstudie, 2024, Greco et altera, 2014). Besonders alarmierend: Jeder zweite arbeitslose Jugendliche hat entweder keinen Schulabschluss oder einen Hauptschulabschluss (Klemm, 2023). 

Die Ursache dieser Nachteile hat ihren Anfang schon viel früher, in der frühen Kindheit. Sie liegt überwiegend in einer unvollkommenen frühkindlichen Entwicklung aufgrund der häufig belastenden und überfordernden Lebensverhältnisse der Eltern. Diese tragen dazu bei, dass die Eltern die Entwicklungsbedürfnisse ihrer Kinder oft nicht ausreichend wahrnehmen und ihre Kinder dem entsprechend zu wenig anregen (mangelnde Responsivität, Schlack 2020). Da dies in einer der wichtigsten menschlichen Entwicklungsphasen, der frühen Kindheit, geschieht, können sich die natürlichen Anlagen und Fähigkeiten der Kinder nicht ausreichend in ihren Zeitfenstern entfalten (Klatte, 2007, Noble et altera, 2015). Spätestens bei den 
Schuleingangsuntersuchungen fallen diese Kinder durch z.T. deutliche Entwicklungs rückstände in den Bereichen Kognition, Sprache und Verhalten auf, häufig bis hin zu ausgeprägten Entwicklungsstörungen (Lampert et altera, 2010). Mithin sind diese Entwicklungsdefizite im Unterschied zu körperlich bedingten Entwicklungsstörungen sozial bedingt, wir sprechen von soziogenen Entwicklungshemmnissen beziehungsweise störungen. 

Dadurch werden die genetisch angelegten Entwicklungspotenziale (Entwicklungsvalenzen) nur teilweise ausgeschöpft. Wird die fehlende Entwicklungsstimulation nicht ausgeglichen, passt sich das Gehirn noch vor der Pubertät an die bis dahin bestehenden Beanspruchungen an (cerebrale Plastizität) (Klatte, 2007). Dies erklärt, warum frühkindliche Entwicklungs hemmungen nachhaltig negativ wirken und andererseits frühkindliche Entwicklungsanregungen so effektiv und effizient sind, da mit geringeren Investitionen viel mehr erreicht werden kann als zu einem späteren Zeitpunkt (Heckman, 2006).

Auch wenn Schulen für diese Kinder und Jugendlichen verstärkt angemessene Bildungsangebote vorhalten müssen, kann schulische Bildung allein diese Defizite weder quantitativ noch qualitativ ausreichend kompensieren. Im Gegenteil, oftmals werden u.a. durch unzureichende Ressourcen und nicht passende curriculare Standards die Bildungsprobleme der betroffenen Kinder während ihrer Schulzeit noch verstärkt.

Fazit: Das Schicksal dieser Kinder und Jugendlichen ist nicht nur eine persönliche Tragödie mit unbefriedigender Zukunftsperspektive. Es stellt zugleich eine kinder und menschenrechtlich unhaltbare Situation dar. Neben den individuellen Nachteilen für die Betroffenen ergeben sich auch gravierende gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Folgen: Der Gesellschaft entstehen in vielen Bereichen erhebliche Kosten und darüber hinaus immaterielle Schäden. Sie verliert nicht nur wichtige Arbeitskräfte sowie das kreative und gesellschaftsstabilisierende Potenzial einer großen Bevölkerungsgruppe mit den entsprechenden Steuereinnahmen, sondern wird auch durch erhebliche Aufwendungen für Wiedereingliederungs und Qualifizierungsmaßnahmen sowie Jugendarbeitslosigkeit belastet. Vor dem demografischen Hintergrund mit Rückgang des Erwerbstätigenpotenzials und einer weiteren Alterung der Bevölkerung kann sich Deutschland dies schon jetzt nicht und künftig erst recht nicht leisten. 

In der Konsequenz führt dies letztlich nicht nur zu erheblichen Ausgaben der öffentlichen Hand und entsprechenden Mindereinnahmen, sondern gefährdet auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Die wichtigsten gesellschaftlichen Reaktionen auf das Risiko für Kinder, von soziogenen Entwicklungshemmnissen betroffen zu sein, besteht in 3 Maßnahmen.

  • Frühzeitiges Erkennen und Erreichen betroffener Kinder und ihrer Eltern in belastenden Lebenslagen
  • Gezielte und nachhaltige Entwicklungsanregung für diese Kinder
  • Vermittlung von sozialen und edukativen Hilfsangeboten für die Eltern

Es existieren zahlreiche kommunale und überregionale Unterstützungsangebote, die Familien nicht nur rund um die Geburt, sondern auch während der ersten Lebensjahre des Kindes unterstützen. Dazu zählen die Frühen Hilfen, Familienzentren, Interdisziplinäre Frühförderstellen, Sozialpädiatrische Zentren, Familienbildungsstätten, Jugendämter, subsidiäre Gesundheitshilfen und insbesondere Kindertageseinrichtungen. Hinzu kommen gesetzlich festgelegte Sozial und Transferleistungen, die die Familien in prekären Lebenssituationen entlasten sollen.

Frühe Akteure beim Erkennen und Erreichen von Familien mit Unterstützungsbedarf sind neben Schwangerschaftsberatungsstellen Lotsendienste in Geburtskliniken sowie Kinderärzte und Jugendärzte in der pädiatrischen Grundversorgung.

Eine ernüchternde Bilanz: Trotz dieser Maßnahmen bestehen die frühkindlichen Entwicklungsdefizite insbesondere bei Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Familien fort. Besonders besorgniserregend ist dabei, dass die Kluft sogar noch zunimmt wie die Einschulungsuntersuchungen zeigen. Woran liegt das? Werden diese Familien nicht ausreichend erreicht?

Unabhängig von der Betrachtungsweise bleibt festzustellen: Für diese Kinder, deren Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft allein durch ihre Lebensumstände gefährdet sind, hat unsere Gesellschaft bislang nur punktuelle und kaum nachhaltige Abhilfe und kein flächendeckendes Konzept entwickelt.

Herausforderungen

Erreichbarkeit der betroffenen Familien

Obwohl in nahezu allen Geburtsabteilungen Familien aus bildungs und sozial benachteiligten Lebensverhältnissen auf kommunale und sozialräumliche Unterstützungssysteme – insbesondere die Frühen Hilfen – hingewiesen werden, bleibt es den Familien selbst überlassen, ob sie diese Angebote wahrnehmen. Dieses sogenannte Komm Struktur Modell scheitert besonders häufig daran, dass die Eltern oft Schwierigkeiten haben, diese Angebote zu nutzen (mangelnde Steuerungskompetenz, Neumann/Renner 2016), oder auch Stigmatisierung befürchten. Erfolgversprechender sind hingegen aufsuchende Strukturen (sogenannte Geh Strukturen), wie vielfach in Untersuchungen festgestellt werden konnte (zum Beispiel »SenBildJugFam«, 2020).

Obwohl es eine Reihe von Möglichkeiten gibt, Familien mit Unterstützungsbedarf durch Gesundheitsfachkräfte (Familienhebammen, Familien Gesundheits und Kinderkranken pflegerinnen) aufsuchend zu erreichen, sind diese Angebote in vielen Kommunen nicht ausreichend und bedarfsdeckend vorhanden. Des Weiteren umfassen die Frühen Hilfen nur die ersten drei Lebensjahre des Kindes, so dass ein darüber hinaus bestehender Bedarf bei den Kindern nicht mit entsprechenden Angeboten ausgeglichen werden kann. 

Fehlende U 3 #Kita Plätze

Aktuellen Berechnungen zufolge fehlen in Deutschland rund 306.000 Kita Plätze (Geis Thöne, 2024). Gerade für Kinder aus anregungsarmen Familien sind U3 Kita Plätze essenziell, um Entwicklungsdefizite auszugleichen. Allerdings haben die betroffenen Familien oft geringere Chancen, einen Platz zu erhalten, da »gut ausgebildete Mittelschichtseltern« häufig im Bewerbungsverfahren bevorzugt werden (Schmitz et altera, 2023). Eine gängige Begründung für die Ablehnung lautet, die – meist arbeitslose – Mutter könne die Betreuung des Kindes selbst übernehmen. Dabei wird übersehen, dass es bei diesen Kindern nicht nur um Betreuung, sondern um frühkindliche Bildung durch eine umfassende Entwicklungsanregung und um ihr Teilhaberecht geht. Eltern aus benachteiligten Familien sind auch seltener bereit oder in der Lage, den seit über 10 Jahren bestehenden Rechtsanspruch auf einen Kita Platz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einzufordern. 

Stigmatisierende Haltungen

In manchen Einrichtungen und Kontexten erleben sozial benachteiligte Familien – insbesondere alleinerziehende Eltern – diskriminierende oder unsensible Haltungen. Wenn Eltern sich in einer Kita nicht akzeptiert fühlen, werden sie diese Angebote nicht nutzen oder abbrechen. Angemessene Bildungsangebote und Förderangebote sowie die Anerkennung und der respektvolle Umgang mit Kindern und ihren Eltern sind jedoch ein Grundrecht, das allen Kindern – unabhängig von ihrer Herkunft – im Sinne der Chancengleichheit Unterstützung in ihrer Entwicklung ermöglicht. 

Zu wenig systemübergeifendes Denken und Handeln

Die Unterschiedlichkeit der Sozialsysteme und die Vielzahl der Akteure mit jeweils eigenen Zuständigkeiten erschweren es Eltern, aber auch Fachkräften, passgenaue Unterstützung zu finden beziehungsweise anbieten zu können, und führen zu einer unkoordinierten Herangehensweise. Es bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes, bei dem Sozialgesetzbuch übergreifend eine zentrale Koordinationsstelle für die Implementierung, Finanzierung und Koordination der Angebote verantwortlich ist. Voraussetzung dafür wären gesetzliche Angleichungen sowie das Verständnis aller Beteiligten als »Verantwortungsgemeinschaft«.

Duale Unterstützung: Eltern und Kind

Ein Großteil der bestehenden Angebote konzentriert sich auf die Begleitung und Unterstützung der Eltern mit dem Ziel, deren Erziehungskompetenzen für die Entwicklung und Bildung ihrer Kinder zu stärken. Die gleichzeitige Entwicklungsanregung der Kinder durch außerfamiliäre Einrichtungen wie z.B. U3 Kitas darf dabei nicht in den Hintergrund geraten. Vielmehr ist es dringend erforderlich, beide Ansätze gleichwertig umzusetzen und, wo erforderlich, weiter auszubauen. 

Medikalisierung soziogener Entwicklungsauffälligkeiten

Entwicklungsstörungen, die primär soziogen sind, werden häufig pathologisiert und medizinischen Diagnosen zugeordnet (Fegeler et altera, 2024). Dies führt dazu, dass der Problematik durch Verordnungen von Medikamenten oder Heilmitteln wie Logopädie oder Ergotherapie begegnet wird (Medikalisierung). Solche isolierten Maßnahmen können jedoch keine tägliche, kontinuierliche und bedarfsgerechte Entwicklungsanregung ersetzen. Diese Medikalisierung ist ineffizient und verursacht hohe Kosten.

Kinder mit Behinderung

Kinder mit (drohender) Behinderung – insbesondere aus sozioökonomisch benachteiligten Familien – werden in der beschriebenen Problematik oft übersehen oder ausgeblendet. Es wird hierbei auf einen behinderungsbedingten Mehrbedarf der Kinder hingewiesen, der in den gegebenen Strukturen nicht zu erfüllen sei. Eine konsequente Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention (UN BRK) und der Inklusion sind unerlässlich. Fehlende Assistenzen in Kitas oder Barrieren beim Zugang zu Betreuungsangeboten sind Beispiele für systematischen Ausschluss. Die vernetzte Arbeit von Sozialpädiatrischen Zentren und Interdisziplinären Frühförderstellen mit einem barrierefreien frühkindlichen Betreuungssystem und Bildungssystem muss gestärkt werden.

Lösungsansätze

Aufsuchende Betreuung durch Sozialraumlotsen

Eine niedrigschwellig erreichbare, aufsuchende Unterstützungsstruktur (eventuell als Sozialraumlotsen oder wie auch immer zu benennende feste Einrichtung) könnte helfen, die verschiedenen Hilfemöglichkeiten und Unterstützungsmöglichkeiten und angebote des Sozialraums für betroffene Familien zu koordinieren und sie damit in ihrer Steuerungskompetenz (Neumann & Renner, 2016) zu stärken. Diese Lotsen könnten auf Veranlassung von zum Beispiel Pädiatern oder Babylotsen betroffene Familien aktiv aufsuchen, über Unterstützungsangebote informieren beziehungsweise koordinieren, evtl. Kontakte herstellen, sie eventuell zu Terminen begleiten und sich um die Vermittlung von U 3 Kita Plätzen kümmern. Ihre Erreichbarkeit muss einfach sein, eine organisatorische Anbindung an die Frühe Hilfen Koordination würde sich anbieten.   

Anspruch auf frühkindliche Förderung

Der bereits bestehende Rechtsanspruch des Kindes ab Vollendung des ersten Lebensjahres auf frühkindliche Förderung in einer Kita oder in Kindertagespflege muss überall in Deutschland verwirklicht werden. Es darf insbesondere keinen Wettbewerb um die zu wenig vorhandenen Plätze geben, bei dem sozial belastete Familien und Eltern, die mit den Zuständigkeiten und Abläufen nicht zurechtkommen, häufig den Kürzeren ziehen. Für jedes Kind, das einen Platz benötigt, muss ein solcher geschaffen werden, der darüber hinaus von guter pädagogischer Qualität ist.

Qualität frühkindlicher Förderung und Vernetzung der Angebote

Nach wie vor gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern hinsichtlich zentraler Aspekte der Strukturqualität von Kitas, die teils deutlich hinter dem zurückbleibt, was für eine gute kindliche Entwicklung empfohlen wird (Meiner Teubner et altera, 2023). 

Fatalerweise finden sich gerade Kinder von Eltern mit einfacher Bildung oder Migrationshintergrund häufiger in Kitas mit geringerer Strukturqualität (Stahl et altera 2018). Repräsentative Informationen zur wichtigeren pädagogischen Prozessqualität sind mittlerweile 13 Jahre alt. Eine Machbarkeitsstudie für ein Monitoring der Prozessqualität weist für nur knapp jede vierte Krippe beziehungsweise Kita in den Gruppen unter 3 jähriger Kinder eine mindestens gute Prozessqualität aus, in den Kindergartengruppen (ab drei Jahre) traf dies für weniger als ein Prozent zu (Kluczniok et altera, 2024). Dies muss Anlass für eine Qualitätsoffensive sein. Wir brauchen ein Bundesqualitätsgesetz Kindertagesbetreuung, indem wissenschaftlich anerkannte Qualitätsstandards verbindlich festgelegt sind und diese politisch legitimiert werden sowie mit den entsprechenden Ressourcen hinterlegt sind. Hierbei ist auch darauf zu achten, dass Kinder mit erhöhtem Unterstützungsbedarf Zugang zu einer sehr guten Qualität finden.

Um den Förderbedarf junger Kinder rechtzeitig zu erkennen und notwendige Fördermaßnahmen durchzuführen, müssen die unterschiedlichen Hilfesysteme sowohl einzelfallbezogen als auch fallübergreifend vernetzt arbeiten. Insbesondere notwendig ist die Gewährleistung und ausreichende Finanzierung einer systematisch vernetzten Verantwortungsgemeinschaft der Kinderärzte und Jugendärzte (Früherkennungsuntersuchungen U 1 bis U 9), Frühen Hilfen, Interdisziplinären Frühförderstellen, Sozialpädiatrischen Zentren, Kindertageseinrichtungen und weiterer Angebote der kommunalen Gesundheitsdienste und Kinder und Jugendhilfe.

Inklusion

Kinder mit (drohender) Behinderung und ohne Behinderung aus sozioökonomisch benachteiligten Familien sollten in einem barrierefreien Betreuungs und Bildungssystem aufwachsen. Teilhabe darf keine Frage des sozialen Status oder der Herkunft sein. Zugangshindernisse und Erschwernisse müssen identifiziert und systemübergreifend abgebaut werden.

Frühe Hilfen

Frühe Hilfen haben sich als ein erfolgreicher Ansatz für vernetztes und synergetisch effektives Handeln über Systemgrenzen und föderale Ebenen hinweg erwiesen. Sie unterstützen Familien von der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr, um Entwicklungsrisiken bei Kindern so früh wie möglich zu erkennen, abzuwenden beziehungsweise zu reduzieren und soziale Ungleichheit im gesunden Aufwachsen zu mindern. Damit leisten sie einen Beitrag zur Verwirklichung von Chancengleichheit bei der gesellschaftlichen Teilhabe von Kindern und Familien und nicht zuletzt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ein großes Problem ist, dass seit 2012 die gesetzlichen Mittel der Bundesstiftung Frühe Hilfen defizitär sind und nie ausreichend angepasst wurden – trotz steigender Lohn und Infrastrukturkosten sowie zunehmender Bedarfe bei den Familien. Dies stellt die Existenz der Frühen Hilfen mit ihren essenziell notwendigen Angeboten und Leistungen infrage. Die auskömmliche bedarfsgerechte Finanzierung der Frühen Hilfen ist daher unabdingbar. 
Darüber hinaus sind die Altersausweitung auf den gesamten vorschulischen Bereich und in diesem Zusammenhang die weitere Verzahnung mit der Kindertagesbetreuung dringend erforderlich und müssen finanziert werden. 

Wir appellieren an Sie, diese Herausforderungen in Ihrer familienpolitischen, kinderpolitischen und gesundheitspolitischen Verantwortung aktiv anzugehen. Gerne stehen wir mit unserer Expertise bereit, um gemeinsam mit Ihnen an finanziell, strukturell und personell tragfähigen Lösungen zu arbeiten, die dann auch auf Dauer Bestand haben: für die Zukunft unserer Gesellschaft und insbesondere für unsere Kinder.

Literaturverzeichnis

Antoni, M., Dietrich, H., Jungkunst, M., Matthes, B. & Plicht, H. (2007): Die Schwächsten kamen seltener zum Zug. IAB Kurzbericht, 2/2007, S. 4.

Czock, H. & Wölbing, R. (2011): Gutachten Soziale Prävention – Bilanzierung der sozialen Folgekosten in Nordrhein Westfalen. Prognos AG, Basel. Im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Nordrhein Westfalen.

Fegeler, U., Jäger Roman, E., Gempp, W., Frölich, N., Horacek, U., Huppertz, H. I. & Fehr, F. (2024): Prävention und Management soziogener Entwicklungsstörungen in der pädiatrischen Grundversorgung. Monatsschrift Kinderheilkunde, 172, 334–341. https://doi.org/10.1007/s00112 023 01828 1

Geis Thöne, W. (2024): 306.000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige fehlen. IW Report, 40/2024. Institut der Deutschen Wirtschaft e.V., Köln.

Greco, S.A., Grasse, R., Müller, K., Peter, S., Pfinder, J. & Schmidt, P. (2014): Wie politische Bildungsarbeit mit bildungsbenachteiligten Jugendlichen gelingen kann – eine Zwischenbilanz. Netzwerk aktivierende Bildungsarbeit – Verstärker (Hrsg.). München.

Grohmann, J. & Porschke, A. (2022): Deutschlandatlas – Wie wir lernen: Über 50.000 Jugendliche verließen im Jahr 2022 die Schule ohne Hauptschulabschluss. Hrsg: Bundesinstitut für Bau , Stadt und Raumforschung (BBSR). https://www.deutschlandatlas.bund.de/DE/Karten/Wie wir lernen/169 Schulabgaenger ohne Hauptschulabschluss.html

Heckman, J.J. (2006): Skill Formation and the Economics of Investing in Disadvantaged Children. Science, 312(5782), 1900–1902.

Holtmann, A.C., Menze, L. & Solga, H. (2023): Low achieving school leavers in Germany: who are they and where do they go? In: Education, Competence Development and Career Trajectories. Analysing Data of the National Educational Panel Study (NEPS). Springer VS.

Klatte, M. (2007): Gehirnentwicklung und frühkindliches Lernen. In: Brokmann Nooren, C., Gereke, I., Kiper, H. & Renneberg, W. (Hrsg.): Bildung und Lernen der Drei bis Achtjährigen. Verlag Julius Klinkhardt, ISBN 978 3 7815 1533 8, 117–139.

Klemm, K. (2023): Jugendliche ohne Hauptschulabschluss: Demographische Verknappung und qualifikatorische Vergeudung. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh. https://www.bertelsmann stiftung.de

Kluczniok, K., Faas, S., Hülsen, K.v., Schneider, M., Fitzner, J., Koch, C. & Aden, H. (2024): Machbarkeitsstudie zur Ansprache und Umsetzung eines bundesweiten Monitorings zur Prozessqualität – Abschlussbericht. Berlin: pädquis. Online: https://kitaqualitaetsmonitor.de/wp content/uploads/2024/07/Abschlussbericht_Machbarkeitsstudie_final_5.7.24.pdf.

Lampert, T., Hagen, C. & Heizman, B. (2010): Gesundheitliche Ungleichheit bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Robert Koch Institut, Berlin.

Meiner Teubner, C., Schacht, D.D., Klinkhammer, N., Kuger, S., Kalicki, B. & Ackler, S. (Hrsg.) (2023): ERiK Forschungsbericht III. Befunde des indikatorengestützten Monitorings zum KiQuTG. wbv Publikation, Bielefeld. DOI: 10.25656/01:30230

Neumann, A. & Renner, I. (2016): Barrieren für die Inanspruchnahme Früher Hilfen die Rolle der elterlichen Steuerungskompetenz. Bundesgesundheitsblatt. DOI: 10.1007/s00103 016 2424 6

Noble, K.D., Houston, S.M., Brito, N. H., Bartsch, H., Kann, E., Kuperman, J.M., Akshoomoff, N., Amaral, D.G., Bloss, C.S., Libiger, O., Schork, N.J., Murray, S.S., Casey, B.J., Chang, L., Ernst, T.M., Frazier, J.A., Gruen, J.R., Kennedy, D.N., Van Zijl, P., Mostofsky, S., Kaufmann, W.E., Kenet, T., Dale, A.M., Jernigan, T.L. & Sowell, E.R. (2015): Family Income, Parental Education and Brain Structure in Children and Adolescents. Nature Neuroscience, 18(5), 773–778. DOI:10.1038/nn.3983

Schlack, H.G. (2020): Entwicklungsaufgaben im Kindesalter: Notwendige Voraussetzungen, Risiken, Präventionsbedarf. In: Fegeler, U., Jäger Roman, E. & Rodens, K. (Hrsg.): Praxishandbuch der pädiatrischen Grundversorgung. Elsevier Verlag, München.

Schmitz, S., Spieß, C.K. & Huebener, M. (2023): Weiterhin Ungleichheiten bei der Kita Nutzung. Größter ungedeckter Bedarf in grundsätzlich benachteiligten Familien. Bevölkerungsforschung Aktuell, 44(2), 3–8.

Senat für Bildung, Jugend und Familie (2021): Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten im Bereich Früher Hilfen – nach Bildungsgrad KID 03. Landeskoordinierungs und Servicestelle Berlin – Netzwerk Frühe Hilfen.

Shell (2024): 19. Shell Jugendstudie. https://www.shell.de/about us/initiatives/shell youth study 2024/_jcr_content/root/main/section/simple/call_to_action/links/item0.stream/1730903501282/d8b545435fc2799eb6044e48b4a9fccc80b95b2d/ap shell jugendstudie zusammenfassung barrierefrei.pdf

Stahl, J.F., Schober, P.S. & Spiess, C.K. (2018): Parental socio economic status and childcare quality: Early inequalities in educational opportunity? Early Childhood Research Quarterly, 44, 304–317. https://doi.org/10.1016/j.ecresq.2017.10.011

Unterstützende Verbände und Gesellschaften

  • Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) 
  • Berufsverband der Kinderärzte und Jugendärzte (BVKJ)
  • Bundeselternverband KITA (BEVKI)
  • Bundesverband der Familienzentren 
  • Bündnis Kinder und Jugendgesundheit (BKJ)
  • Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP)
  • Der Kinderschutzbund Bundesverband
  • Deutsche Gesellschaft für Ambulante Allgemeine Pädiatrie (DGAAP) 
  • Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ) 
  • Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ)
  • Deutsche Liga für das Kind
  • Deutsches Kinderhilfswerk
  • Fröbel
  • Initiative Zukunftsbildung gGmbH
  • Verband für Interdisziplinäre Frühförderung Bundesvereinigung (VIFF)

Unterzeichner (in umgekehrter alphabetischer Reihenfolge)

Prof. Dr. Hans Weiß, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Prof.in Dr. Sabine Walper, Deutsches Jugendinstitut, München, Prof. Dr. Armin Sohns, Hochschule Nordhausen, Prof. Dr. Andreas Seidel, Hochschule Nordhausen, Dipl. Volkswirt Raimund Schmid, Wissenschaftsjournalist, Aschaffenburg, Prof. Dr. Heinrich Ricking, Institut für Frühpädagogik, Uni Leipzig, Dr. Andreas Oberle, Sozialpädiatrisches Zentrum, Stuttgart, Prof. Dr. Jörg Maywald, Fachhochschule Potsdam, Dr.in Ulrike Horacek, Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, Dortmund, Regine Hauch, Wissenschaftsjournalistin, Düsseldorf, Dr. Wolfram Hartmann, ehemaliger Präsident des Berufsverbands der Kinderärzte  und Jugendärzte, Kreuztal, Dr. Ulrich Fegeler, Deutsches Kinderbulletin, Berlin, Dr.in Maria del Pilar Andrino Garcia, Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP).

Fachliche Beratung

Prof. Dr. C. Katharina Spieß, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), Wiesbaden, Dipl.Päd.in Mechthild Paul, Nationales Zentrum Frühe Hilfen, Köln.

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