Die Osterinseln. Beispiel für eine Zivilisation, die sich sehenden Auges selbst ausgelöscht hat. Foto: Diego Gonzalez, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Faschismus ist Pseudozivilisation – in Wahrheit die größte, denkbare Barbarei
Gütersloh, 24. Juni 2025
Auf den 1. Blick konnte das sogenannte »Dritte Reich« den Anschein einer modernen, überlegenen Zivilisation erwecken. Die kolossale #Architektur Albert Speers, die minutiös geplanten #Parteitage in #Nürnberg, die maschinenhafte #Effizienz von #Verwaltung, #Polizei und #Militär – all das suggerierte #Ordnung, #Fortschritt, #Stärke. Die Inszenierungen des #Nationalsozialismus wirkten oft wie ein finsteres Schauspiel, das dem Betrachter die Macht einer angeblich überlegenen Kultur vor Augen führen sollte. Doch diese »Kultur« war eine Kulisse. Hinter ihr verbarg sich rohe #Gewalt, #Entmenschlichung und systematische #Vernichtung.
Das »Dritte Reich« war keine #Hochkultur, sondern die wohl größte, organisierte #Barbarei der bekannten #Menschheitsgeschichte. Der deutsche Historiker Wolfgang #Benz spricht vom »staatlich inszenierten Absturz in die Barbarei«, und Hannah #Arendt beschreibt den Nationalsozialismus als die radikalste Form totaler Herrschaft – als Perversion dessen, was Zivilisation eigentlich bedeutet.
Pseudozivilisation: der Missbrauch von #Form und #Fortschritt
#Faschismus ist keine Rückkehr zu vormodernen Stammesgesellschaften oder anarchischer Wildheit. Faschismus ist Pseudozivilisation: die Aneignung von #Kulturtechniken, #Architektur, #Verwaltung, #Wissenschaft und #Technik – aber nicht zum Zwecke des Humanen, sondern zur Perfektionierung von #Unterdrückung und #Mord.
Die deutsche #Bürokratie, die die »Endlösung« organisierte, war nicht primitiv. Sie war erschreckend modern. Raul Hilberg, der große Chronist der #Shoah, schrieb: »Die Judenvernichtung war nicht chaotisch. Sie war ein methodischer, geordneter Vorgang – ein Werk der Verwaltung, der Technik, der industriellen Organisation.« Die #Deportationen liefen nach Fahrplänen, die »Tötungen« wurde rationalisiert, die Leichen wurden verwertet.
Primo Levi, Überlebender von #Auschwitz, berichtete später von seinen Eindrücken: »Wir hatten es nicht mit Monstern zu tun. Die größte Schuld lastet auf den Durchschnittsmenschen, den Beamten, Technikern, den ganz normalen Menschen, den Schreibtischtätern.«
Der gefährliche Schein
Was wir lernen müssen, ist den Unterschied zwischen #Zivilisation und #Pseudozivilisation zu erkennen. Denn sonst können wir nichts lernen. Die #Dummheit der Menschen ist lange bekannt, ihre Aggressivität ebenfalls. Wir wissen, zu welchen #Grausamkeiten Menschen fähig sind. Wir wissen, wie schnell sie sich von #Hass und #Propaganda verführen lassen. All das ist bekannt. Was wir bis heute offenbar nicht gelernt haben: den besagten Unterschied zu erkennen.
#Zivilisation ist nicht der Bau großer #Dome oder #Autobahnen. Sie ist nicht die Fähigkeit, Verwaltungssysteme oder Armeen zu schaffen. Echte Zivilisation misst sich an #Humanität, #Gerechtigkeit, #Rechtsstaatlichkeit und dem #Schutz der #Würde jedes einzelnen Menschen. Pseudozivilisation ahmt diese Formen nach, entleert sie aber ihres Sinns. Sie nutzt #Wissenschaft ohne #Ethik, #Technik ohne #Verantwortung, #Verwaltung ohne #Mitgefühl.
Der Faschismus zeigte uns, dass der äußere Schein trügen kann. Ein #Staat, der sich nach außen als stark, modern und geordnet präsentiert, kann in seinem Inneren der Inbegriff der Barbarei sein. Der französische Philosoph Alain #Finkielkraut formulierte es so: »Der Faschismus ist die Modernisierung der Barbarei mit den Mitteln der Zivilisation.«
Was »Zivilisation« ursprünglich bedeutet
Der Begriff »Zivilisation« leitet sich vom lateinischen »civis« (Bürger) und »civilis« (bürgerlich, staatsbürgerlich) ab. Er stand in der Antike zunächst für das Leben in der Gemeinschaft der Bürger, das Zusammenleben unter #Regeln, #Rechten und #Pflichten – im Gegensatz zum rohen Zustand der Natur oder des Krieges. Zivilisation war damit von Beginn an mehr als technischer Fortschritt oder äußere Ordnung: Sie war ein Ideal des friedlichen, gerechten Zusammenlebens, ein ethisches Konzept. Die europäische Aufklärung griff diesen Begriff auf, um die Idee der Vernunft, der Humanität und des Rechts zu fassen. Dort, wo diese Prinzipien fehlen oder pervertiert werden, endet Zivilisation – auch wenn die äußeren Formen bestehen bleiben.
Die bleibende Aufgabe
Die Botschaft der #Geschichte ist unbequem. Sie verpflichtet uns dazu, wachsam zu sein, zu unterscheiden und zu hinterfragen. Zwischen echter Zivilisation und Pseudozivilisation zu unterscheiden, ist die vielleicht wichtigste Lehre, die wir aus dem 20. Jahrhundert ziehen können. Denn nur so können wir verhindern, dass sich Geschichte wiederholt. Primo Levi warnte: »Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen. Das ist der Kern dessen, was wir zu sagen haben.«
Gerade heute – in einer Welt, in der #autoritäre #Versuchungen wieder erstarken, in der Technik oft ohne moralischen Kompass eingesetzt wird, in der #Populismus und #Nationalismus erneut gedeihen – ist diese Unterscheidung von brennender Aktualität. Die Formen der Barbarei mögen sich wandeln, ihr Wesen bleibt.
Wenn wir nicht lernen, den Unterschied zwischen echter und falscher Zivilisation zu erkennen, werden wir weiter in die Falle des Scheins tappen. Der Preis dafür ist hoch: Es ist der Verlust dessen, was uns überhaupt erst zivilisiert macht.
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