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Cancel Culture in Gütersloh – ein unsichtbares System mit juristischen Bruchstellen
#Gütersloh, 30. August 2025
#Cancel #Culture gilt gemeinhin als Phänomen aus den #Social #Media, wo #Shitstorms und digitale Empörung Menschen zum Verstummen bringen. Doch in Städten wie #Gütersloh zeigt sich eine andere, subtilere Form: leise, unsichtbar, aber ebenso wirksam. Betroffene berichten von systematischer #Ausgrenzung, die nicht durch offene Angriffe erfolgt, sondern durch ein Geflecht aus #Schweigen, #Ignorieren und dem stillen #Abbruch von #Kontakten. »Man wird nicht mehr eingeladen, nicht mehr erwähnt, nicht mehr unterstützt – und zwar ohne jede Begründung«, beschreibt ein Kulturschaffender seine Erfahrung.
Breite Mitwirkung
Bemerkenswert ist die Breite der Mitwirkung. #Verwaltung und #Politik verweigern #Kooperationen, #Vereine und #Kultureinrichtungen lösen bestehende Kontakte auf, die #Kaufmannschaft zieht sich zurück, und selbst im privaten Umfeld greifen ähnliche Mechanismen. #Solidarität ist selten, denn wer Ausgegrenzten die Hand reicht, riskiert, selbst ins Abseits gedrängt zu werden. So entsteht ein System, das kaum jemand durchbricht, weil Schweigen zur vermeintlich sicheren Option wird.
Nicht nur ein gesellschaftliches oder moralisches Phänomen
Oft wird Cancel Culture als rein gesellschaftliches oder moralisches Phänomen diskutiert. Doch sobald öffentliche Stellen Teil dieser Dynamik sind, kommt eine #juristische #Dimension hinzu. Denn in Deutschland ist die #Gleichbehandlung ein Grundrecht – ebenso wie etwa die freie Entfaltung der Persönlichkeit und Meinungsfreiheit und Pressefreiheit. Artikel 3 Absatz 1 #Grundgesetz lautet wörtlich: »Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.« Und Absatz 3 ergänzt: »Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.« Werden Einzelne ohne sachlichen Grund ignoriert oder von Leistungen ausgeschlossen, liegt hier schnell ein Verstoß gegen das Grundgesetz nahe.
#Rücksicht auf die #Verkehrssitte
Auch das #Zivilrecht setzt klare Grenzen. Paragraph 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt: »Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.« Dieser »Grundsatz von Treu und Glauben« bedeutet, dass auch bestehende Beziehungen nicht schikanös oder willkürlich unterlaufen werden dürfen.
Das Öffentliche Auftragswesen
Hinzu kommt das öffentliche Auftragswesen. Paragraph 97, Absatz 2, #Gesetz gegen #Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) schreibt ausdrücklich fest: »Öffentliche #Aufträge werden im #Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit beachtet. Die Teilnehmer am Wettbewerb sind gleich zu behandeln.« Auch die #Unterschwellenvergabeordnung (UVGO) verpflichtet in Paragraph 2, Absatz 1, dass Auftraggeber »den Wettbewerb fördern und die Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung« einhalten müssen. Werden Akteure gezielt übergangen, könnte dies einen Vergabeverstoß darstellen.
Das Landespressegesetz Nordrhein Westfalen
Besonders relevant in Gütersloh ist zudem die Pressefreiheit. Das #Landespressegesetz #Nordrhein #Westfalen (LPRESSEG #NRW) verpflichtet Behörden in Paragraph 4, Absatz 1: »Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.« In Paragraph 4, Absatz 2, heißt es ergänzend: »Die Auskünfte sind unverzüglich, vollständig und richtig zu erteilen.« Eine selektive Informationsvergabe nach Sympathie oder Antipathie wäre damit klar rechtswidrig. Ein Verwaltungsjurist bringt es auf den Punkt: »Was privat noch als Antipathie gilt, ist im staatlichen Kontext schnell eine Grundrechtsverletzung.« Ebenso unterliegt die Presse gemäß Landespressegesetz ausschließlich ebendiesem und unmittelbar dem Grundgesetz.
Die Bielefelder Literaturwissenschaftlerin Nikola Roßbach warnt
Dass Cancel Culture in diesem Sinn nicht nur ein kulturelles, sondern ein demokratiepolitisches Risiko darstellt, wird auch von #Wissenschaft und #Politik betont. Die Bielefelder Literaturwissenschaftlerin Nikola Roßbach warnte: »Wir beobachten, dass die verfassungsrechtlich verbürgte #Freiheit von #Forschung und #Lehre zunehmend unter moralischen und politischen Vorbehalt gestellt werden soll.« Das »#Netzwerk #Wissenschaftsfreiheit«, gegründet unter anderem von Juristen wie Martin Nettesheim, erklärte, man wolle »Opfern der Cancel Culture Unterstützung anbieten und unzulässig ausgegrenzten Sichtweisen wieder ein Forum verschaffen, solange sie sich im Rahmen von #Gesetz und #Verfassung bewegen.« Der ehemalige #Bundestagspräsident #Wolfgang #Thierse bezeichnete die Dynamik als »ziemlich demokratiefremd« und »im Grunde demokratiefeindlich«, wenn sie dazu führt, dass man sich mit unliebsamen Stimmen nicht mehr auseinandersetzen will. Und der Philosoph Harry Lehmann warnte, politische Kommunikation radikalisiere sich zunehmend in Institutionen, sodass Entscheidungen »ideologisch geprägt« seien. Sein Vorschlag lautet, »Ideologieunterbrecher« einzusetzen, um der Polarisierung entgegenzuwirken.
»Sie sind gecancelt«
Das eigentliche Problem in Gütersloh liegt jedoch in der Unsichtbarkeit des Mechanismus. Cancel Culture dort funktioniert nicht durch offene Beschlüsse oder Boykottaufrufe, sondern durch das, was nicht geschieht. Keine Einladung, kein Förderbescheid, kein öffentlicher Hinweis – nur eine Serie von Unterlassungen, die in Summe existenzbedrohend sein können. Ein Journalist beschrieb es so: »Es gibt keinen Brief, der sagt: ›Sie sind gecancelt.‹ Aber man spürt es jeden Tag, wenn die gewohnte Resonanz ausbleibt.«
Das Gebot von Treu und Glauben
Gerade diese Unsichtbarkeit macht das Phänomen so schwer angreifbar. Sie schützt die Beteiligten, weil kaum ein klarer Rechtsakt vorliegt, gegen den sich Betroffene unmittelbar wehren könnten. Und doch kann das Unterlassen, wenn es systematisch geschieht, juristisch relevant sein – sei es durch Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, gegen das Gebot von Treu und Glauben, gegen das Vergaberecht oder gegen presserechtliche und informationsrechtliche Pflichten.
Brennglas für ein bundesweites Problem
Damit wird das Beispiel Gütersloh zu einem Brennglas für ein bundesweites Problem. Denn wo Verwaltung, Politik und Bürgerschaft in einer stillen Allianz der Ausgrenzung zusammenwirken, steht mehr auf dem Spiel als das Schicksal einzelner. Es geht um die Robustheit demokratischer Strukturen selbst. Die Demokratie lebt vom Streit, nicht vom Schweigen. Wenn das Schweigen aber zur Methode wird, werden Grundrechte ausgehöhlt, ohne dass es großen Aufsehens bedarf.
Nicht nur ein lokales Phänomen
Cancel Culture in Gütersloh ist damit nicht nur ein lokales Phänomen. Es ist ein Lehrstück darüber, wie fragil die offene Gesellschaft wird, wenn institutionelles #Handeln und gesellschaftliche #Opportunität ineinandergreifen. Die entscheidende Frage lautet: Wer schützt den demokratischen Diskurs, wenn nicht einmal mehr die Institutionen, die zur #Neutralität verpflichtet sind, diese Rolle wahrnehmen?
Quellen
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 3, Absatz 1 und 3
Bürgerliches Gesetzbuch, Paragraph 242 BGB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Paragraph 97, Absatz 2, GWB
Unterschwellenvergabeordnung (UVGO), Paragraph 2, Absatz 1
Landespressegesetz Nordrhein Westfalen, Paragraph 1, Absatz 1, 2, 3, Paragraph 4, Absatz 1 und 2
Nikola Roßbach, Matthias N. Lorenz, Diskussion an der Universität Bielefeld (2021)
»Netzwerk Wissenschaftsfreiheit«
Wolfgang Thierse, #Interview Zitat über Cancel Culture (»taz«)
Harry Lehmann, »Ideologiemaschinen« (2022), Interview und Rezension, »Welt Online«