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Wir leben in antibrechtschen Zeiten – erst kommt die Moral, dann das Fressen

Wir leben in antibrechtschen Zeiten – erst kommt die #Moral, dann das #Fressen

#Gütersloh, 9. September 2025

»Erst kommt das Fressen, dann die Moral« – kaum ein Satz fasst Brechts Denken so bündig zusammen wie dieser. Er stammt aus der »#Dreigroschenoper« und war eine #Kampfansage an die #Heuchler seiner Zeit: jene, die Werte predigten, während die Massen hungerten. #Brecht stellte klar: #Grundbedürfnisse sind die Basis. Wer nichts zu essen hat, dem sind große Worte von #Anstand, #Pflicht oder #Tugend kaum mehr als ein Hohn.

Das war kein #Zynismus, sondern materialistische Nüchternheit. Brecht war überzeugt, dass #Moral auf den Realitäten des Lebens aufbauen muss. Erst die gesicherte Existenz, dann die ethische Reflexion. Oder mit anderen Worten: erst der volle Magen, dann die Fragen nach #Gerechtigkeit.

Heute hat sich dieses Verhältnis verkehrt. Wir leben in antibrechtschen Zeiten. Erst kommt die Moral, dann das Fressen. Aber es ist nicht mehr die Moral, die Brecht meinte. Es ist etwas anderes: ein #Moralismus.

Der Unterschied ist entscheidend. Moral sind Inhalte – #Werte und #Prinzipien, die eine Gesellschaft für gut und richtig hält: #Solidarität, #Freiheit, #Aufklärung, #Fortschritt. Über diese Inhalte lässt sich streiten, sie sind historisch wandelbar, aber sie besitzen #Substanz. #Moralismus hingegen erhebt die Moral selbst zum Inhalt. Er ist zirkulär. Moralisch ist, was moralisch ist. Und was ist moralisch? Eben das, was moralisch ist.

Das klingt kindisch, fast albern – und genau das macht es so teuflisch dämlich. Denn dieser #Zirkelschluss prägt inzwischen große Teile des öffentlichen Diskurses. Es genügt, sich moralisch zu inszenieren. Die Geste ersetzt die Tat. Die Haltung wird wichtiger als das Handeln.

Hier zeigt sich auch der Unterschied in den philosophischen Grundierungen. Brecht war #Materialist: Für ihn war Moral an Bedingungen geknüpft, an das Fressen, an die Existenz. Die heutigen Moralisten sind #Idealisten. Doch ihr Ideal ist nicht mehr Fortschritt, Wohlstand, Aufklärung – sondern der Moralismus selbst. Moralischer Idealismus, der keine Ideale mehr kennt. Idealistische Moral, deren einziger Inhalt die Selbstvergewisserung ist.

Damit entsteht ein endloser Kreislauf. Früher bedeutete Idealismus, ein Ziel zu haben, ein Fernziel vielleicht – die bessere Gesellschaft, die Emanzipation, den Wohlstand für alle. Heute bedeutet Idealismus, die moralische Geste zu wiederholen, immer wieder, ohne Ziel und ohne Ende. Das Fressen, das Brecht als Grundlage gesetzt hatte, wird verschoben ins Jenseits des Diskurses. Es kommt nie.

Wir sehen das täglich: Debatten, die sich im Kreis drehen, weil es nicht mehr um Lösungen geht, sondern um das richtige Bekenntnis. #Sprache wird endlos reguliert, Symbole werden gefeiert oder geächtet, und das eigentliche Problem – sei es #Armut, sei es #Ungleichheit, sei es #Gewalt – bleibt unberührt.

Antibrechtisch heißt: Nicht das Fressen ermöglicht die Moral, sondern das moralische Bekenntnis erlaubt erst das Fressen. Wer sich nicht an den Ritualen beteiligt, bleibt ausgeschlossen. Und weil das #Ritual nie abgeschlossen ist, bleibt auch das #Fressen in der Schwebe.

So haben wir eine Gesellschaft, die nicht an ihren Inhalten, sondern an ihren Gesten gemessen wird. Eine Gesellschaft, die moralisch hoch aufgeladen wirkt, aber substanzlos bleibt. Das Ergebnis ist Stillstand. Oder genauer: ein endloser Tanz im Kreis, eine moralische Prozession, die niemals ankommt.

Das Problem ist nicht, dass wir über das #Gute sprechen. Das Problem ist, dass wir es #entleeren. Brecht verstand Moral als Frage der #Substanz – als Orientierung, die erst Sinn bekommt, wenn die materiellen Grundlagen gesichert sind. Wir dagegen leben in einer Epoche, in der Moral ein Spiegel geworden ist, der nur sich selbst zeigt.

Miniaturen des Moralismus

  • #Sprache: Ein falsches Wort kann mehr Empörung auslösen als eine falsche Tat. Es reicht, die »richtigen« Begriffe zu verwenden – die Realität, die diese Begriffe beschreiben, bleibt meist unverändert.
  • #Konsum: Das Etikett »nachhaltig« oder »fair« verwandelt jedes Produkt in eine moralische Geste. Die Produktionsbedingungen bleiben komplex, aber das gute Gewissen lässt sich in Sekunden kaufen.
  • #Klima: Der moralische Druck, im Alltag jede kleine Geste sichtbar zu machen, ersetzt oft die Auseinandersetzung mit den großen Strukturen, die den Unterschied tatsächlich ausmachen würden.

Und schließlich die kleine Pointe

Das Fressen kommt nie – nicht nur, weil sich der Moralismus endlos im Kreis dreht. Sondern auch deshalb, weil das Fressen selbst längst als »böse« gilt. #Essen ist verdächtig, #Genuss ein #Makel, #Fleisch ohnehin #Teufelszeug. Es sei denn, es ist vegan – dann darf man wieder mitmachen. Selbstentlarvender könnte ein moralischer Zirkel kaum sein.

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