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#KWS #Lectures: Warum #Gerechtigkeit nicht immer #gut ist
#Gütersloh, 11. September 2025
#Gerechtigkeit gilt als eines der höchsten Güter. In ihrer klassischen Definition bedeutet sie: Niemand soll aufgrund von Umständen, die er nicht zu vertreten hat, bevorzugt oder benachteiligt werden. #Ungerechtigkeit ist das Gegenteil: eine #Schieflage, die aus #Zufall oder #Willkür entsteht. Das klingt sauber, logisch, unanfechtbar. Doch wer genauer hinsieht, merkt schnell: Gerechtigkeit ist nicht nur schwer zu erreichen – sie kann auch in eine Falle führen.
Es gibt 2 Arten von Gleichheit: die Gleichheit der Möglichkeiten und die Gleichheit der Ergebnisse. Ersteres klingt vernünftig: Alle sollen unter vergleichbaren Bedingungen starten, keiner darf willkürlich ausgeschlossen sein. Das zweite jedoch – die Gleichheit im Outcome – ist nicht nur unerreichbar, sondern im Kern ungerecht. Denn gleiche Ergebnisse zu erzwingen bedeutet, Unterschiede zu leugnen, Talente zu beschneiden und Umstände zu ignorieren.
Das zeigt sich besonders deutlich, wenn Ressourcen begrenzt sind. »Gerecht« wäre es, allen gleichermaßen zu helfen. Aber was geschieht, wenn nicht genug da ist, um alle gleichermaßen zu versorgen? Wer strikt am Ideal festhält, läuft Gefahr, am Ende gar niemandem zu helfen.
Eine alte Geschichte bringt dieses Dilemma auf den Punkt
Ein #Junge steht am #Strand und wirft angeschwemmte #Seesterne zurück ins Meer. Ein Mann beobachtet ihn und sagt: »Warum tust du das? Du kannst ihnen nicht allen helfen! Es sind Millionen!« Der Junge schaut ihn an, wirft einen weiteren Seestern ins Wasser und sagt: »Aber diesem hier, dem kann ich helfen.«
Aus strenger Gerechtigkeitsperspektive ist dieses Handeln fast absurd: Es ist nicht fair, dass nur einzelne Seesterne gerettet werden, während andere sterben. Doch aus menschlicher Sicht ist es gut – ja, es ist vielleicht das einzig Richtige.
Ein weiteres Feld, in dem die Grenzen von Gerechtigkeit sichtbar werden, ist die Debatte um #Geschlechterunterschiede. Diese Unterschiede haben 2 Grundlagen: eine #biologische und eine #kulturelle. Gesellschaften wie #Schweden haben versucht, die kulturellen Unterschiede weitgehend zu nivellieren – durch gleiche Bildungschancen, Antidiskriminierungsgesetze und eine stark egalitäre #Politik. Interessanterweise zeigen zahlreiche Studien dort, dass damit die biologischen und persönlichen Unterschiede umso stärker hervortreten.
So belegt eine aktuelle Untersuchung in Südschweden (Wamala Andersson et altera, 2025), dass #Mädchen und #Jungen schon im #Grundschulalter sehr unterschiedliche Berufswünsche entwickeln: Mädchen tendieren zu Berufen mit Menschen und Tieren, Jungen zu solchen mit Technik und Dingen. Eine groß angelegte Analyse von Geary & Stoet (2022) zeigt zudem, dass geschlechtstypische Unterschiede in hoch egalitären Ländern wie Schweden oder #Finnland oft größer sind als in weniger gleichgestellten Gesellschaften. Boschini (2019) wiederum fand in einer Bevölkerungsstichprobe deutliche Unterschiede bei Risikobereitschaft und Konkurrenzverhalten. Mit anderen Worten: Je stärker man die kulturellen Unterschiede ausgleicht, desto klarer treten die biologischen und persönlichen Unterschiede hervor.
Das #Paradox
Wer völlige Gleichheit im Ergebnis erzwingen will, landet schnell in einer Sackgasse. Denn Unterschiede verschwinden nicht, wenn man sie ignoriert. Im Gegenteil – sie verstärken sich, sobald eine Seite »geglättet« wird. Die Vorstellung, dass Gerechtigkeit nur dann herrscht, wenn am Ende identische Resultate vorliegen, kippt ins Gegenteil: Sie produziert Ungerechtigkeit, weil sie Vielfalt und Realität unterdrückt.
Allerdings gibt es Bereiche, in denen es keine #Alternative zu absoluter Gerechtigkeit geben darf. Besonders in der #Justiz: gleiche #Behandlung vor dem #Gesetz, faire #Verfahren, die #Unschuldsvermutung, gleiche Rechte bei #Verteidigung. Hier ist jeder Bruch mit Gerechtigkeit nicht pragmatisch, sondern brandgefährlich – er zerstört Vertrauen, öffnet Willkür und Machtmissbrauch Tür und Tor. Dasselbe gilt für Grund und Menschenrechte: In diesen Feldern darf Gerechtigkeit niemals verhandelbar sein.
So zeigt sich: Was wir für »gerecht« halten, kann im Ernstfall unbarmherzig sein. Was wir für »ungerecht« erklären, kann dagegen Mitgefühl und Menschlichkeit zeigen. Vielleicht müssen wir deshalb die Frage neu stellen: Ist es wirklich die Gerechtigkeit, die zählt? Oder sind es am Ende Güte, Pragmatismus und Barmherzigkeit, die das Leben tragen?
Quellen
S. Wamala Andersson et altera (2025), »Drawing the Future: gender and future occupational aspirations of young children in Sweden«, »Frontiers in Education«, mehr …
D. Geary, G. Stoet (2022), »Gender differences in academic strengths contribute to the gender segregation of STEM and non-STEM occupations«, University of #Missouri, #Leeds #Beckett University, Zusammenfassung online …
A. Boschini (2019), »Gender, risk preferences and willingness to compete in a random sample of the Swedish population«, »Journal of Behavioral and Experimental Economics«, mehr …
S. Diderichsen et altera (2013), »Medical students’ career choices, preference for a specialty and motivational factors: a cross-sectional survey in Sweden«, »BMC Medical Education«, 13:39, mehr …
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