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#KWS #Lectures: Der #Widerlegungszwang – wie Misstrauen das Denken ersetzt hat
#Gütersloh, 28. Oktober 2025
Es ist, als hätte unsere Zeit das Gespräch verlernt. Nicht, weil wir weniger reden – im Gegenteil: Noch nie wurde so viel kommentiert, korrigiert, erklärt, entlarvt, relativiert. Doch die Worte sind nicht mehr auf Verständnis gerichtet, sondern auf Abwehr. Wir reden nicht, um etwas zu begreifen, sondern um es zu widerlegen.
Grundmelodie des Lebens
Der Widerlegungszwang ist zur Grundmelodie des öffentlichen Lebens geworden. Früher war er eine #rhetorische #Technik – heute ist er eine Haltung. Er durchzieht alles: #Diskussionen, #Kunst, #Nachrichten, #Kultur,# Alltägliches. Alles, was jemand sagt, schreibt, tut, ist oder zeigt, steht sofort unter dem Verdacht, falsch, gefährlich oder moralisch unzulässig zu sein. Das Urteil fällt, bevor das Verstehen überhaupt beginnt.
Kritisches Denken bedeutete einst, offen zu prüfen. Heute heißt es, auf Lücke zu gehen – die Schwachstelle zu finden, an der man den anderen »kriegen« kann. Nicht: Was könnte daran wahr sein?, sondern: Wie kann ich zeigen, dass es falsch ist? Die Haltung ist nicht mehr neugierig, sondern misstrauisch.
Nichts darf einfach sein
Das Ergebnis ist eine #Gesellschaft, in der kaum noch etwas einfach sein darf. Jede Aussage muss abgesichert, jedes Wort eingezäunt werden. #Ironie gilt als #Risiko, Nachdenklichkeit als Schwäche. Und wer differenziert, läuft Gefahr, als unklar oder verdächtig zu gelten.
So verwandelt sich Sprache in ein Verteidigungsmanöver. Die Menschen formulieren nicht mehr, was sie denken, sondern was sie noch sagen können, ohne angegriffen zu werden. Und damit verliert Kommunikation ihre ursprüngliche Funktion: die gemeinsame Suche nach Wahrheit.
Der Widerlegungszwang ist der stille Feind des Denkens. Er macht uns klüger in der Rhetorik, aber ärmer im Verstehen. Er lässt uns recht behalten – und gleichzeitig alles verlieren, was ein Gespräch lebendig macht: Offenheit, Großzügigkeit, Zweifel.
Vielleicht beginnt echte #Freiheit heute dort, wo man sich erlaubt, nicht sofort zu widersprechen, sondern einfach kurz zu sagen: »Interessant. Erzähl weiter«. Oder: »Schönes #Fahrrad« – nein – das Fahrrad wird seziert, es selbst und der Kontext moralisch eingeordnet und gegebenenfalls widerlegt.
Der Verlust des Geschmacks – oder warum man heute nichts mehr einfach nicht mögen darf
Es war einmal eine einfache, harmlose Redewendung: »Gefällt mir nicht.« Sie bedeutete nichts weiter als eine Geschmacksäußerung. Keine Anklage, kein Urteil, kein Angriff – einfach nur: nicht mein Ding. Heute ist so ein #Satz fast schon ein #Bekenntnis mit #Risiko.
Wer sagt »Gefällt mir nicht«, wird sofort aufgefordert, sich zu rechtfertigen. Warum? Was genau? Was hast du dagegen? Und egal, was man antwortet – es führt zu nichts. Denn die Frage zielt selten auf Verständnis, sondern auf Einordnung. Man will wissen, wer du bist, wenn du etwas nicht magst.
#Geschmack ist heute nicht mehr privat, sondern politisiert. Jede Vorliebe, jede Ablehnung wird als Symptom einer Haltung gelesen. Sagt man, dass einem ein Film, ein Lied oder ein Kunstwerk nicht gefällt, dann gilt das schnell als verdächtig – als Zeichen mangelnder Empathie, falscher Werte oder gar »toxischer Energie«.
So entsteht eine absurde Lage: Man darf alles gut finden, solange es als »richtig« gilt – aber man darf fast nichts nicht gut finden, ohne sich verdächtig zu machen. Das Recht auf Ablehnung ist verschwunden. An seine Stelle tritt das Gebot der dauerhaften Zustimmung.
Diese neue #Moral der #Gefälligkeit hat eine paradoxe Wirkung: Sie erzeugt kein friedlicheres Klima, sondern ein angespanntes. Denn Ehrlichkeit weicht Vorsicht, und die Vorsicht tötet den lebendigen Austausch. Menschen sagen nicht mehr, was sie empfinden, sondern was sie sagen dürfen, ohne moralisch vermessen zu werden.
Früher war Geschmack eine Frage des Sinns. Heute ist er eine Frage der Gesinnung. Vielleicht wäre schon viel gewonnen, wenn man sich wieder trauen dürfte zu sagen: »Gefällt mir nicht« – ohne Fußnote, ohne Verteidigung, ohne Prozess.
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