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Die Simulationsthese: Eine philosophische Kritik ihrer Begriffe, Strukturen und Implikationen
#Gütersloh, 16. November 2025
Zusammenfassung
Die populäre #Simulationsthese (»Simulationstheorie«) behauptet, unser #Universum sei das Ergebnis einer übergeordneten digitalen Simulation. Diese Abhandlung zeigt, dass die These – insbesondere in ihrer starken Form – #begrifflich #instabil, #empirisch #leer, #physikalisch (und logisch) #inkohärent und #anthropomorph ist. Weder erklärt sie etwas, noch generiert sie überprüfbare Konsequenzen. Als epistemische #Hypothese ist sie daher unhaltbar. Ihre Produktivität entfaltet sie ausschließlich im Bereich der #Kunst, der #Fiktion und der #ästhetischen #Offenheit: Dort fungiert sie als Generator von Möglichkeit, nicht von Erkenntnis.
1. #Einleitung
Seit der Publikation von #Nick #Bostroms »Are You Living in a Computer Simulation?« (2003) wird die Simulationsthese verstärkt diskutiert – sowohl in populärwissenschaftlichen Diskursen als auch in der akademischen Philosophie. Die Grundidee besteht darin, dass hochentwickelte posthumane #Zivilisationen Vorfahren Simulationen durchführen könnten und dass die Wahrscheinlichkeit, selbst in einer solchen Simulation zu leben, daher hoch sei.
Die vorliegende Abhandlung argumentiert jedoch, dass die Simulationsthese in ihrer metaphysischen Grundstruktur problematisch ist. Ihre entscheidenden Begriffe verlieren im Kontext totaler Anwendung ihren Inhalt; ihre Argumentation erzeugt unendliche Regress und Progressstrukturen; ihre physikalischen Voraussetzungen sind unklar oder inkohärent; und ihre erkenntnistheoretische Relevanz ist minimal bis null.
2. Begriffsanalyse: Was bedeutet »Simulation«?
Der Begriff #Simulation ist in technisch wissenschaftlichen Kontexten gut definiert: Er bezeichnet ein reduktives Modellierungsverfahren, in dem ein reales System durch ein vereinfachtes Modell approximiert wird. Wesentlich sind dabei …
ein Simulator,
ein simuliertes System,
ein simulierendes Medium,
ein Abbildungsverhältnis oder Approximationverhältnis zwischen #Modell und #Realität.
Die Anwendung dieses Begriffs auf das Universum als Ganzes ist jedoch problematisch. Wenn unser gesamter Erfahrungsraum simuliert wäre, fehlt uns jeder externe Maßstab, um das, was wir erleben, von einer nicht simulierten Realität zu unterscheiden. Der Begriff »Simulation« verliert damit seine kontrastive Bedeutung.
Satz 1:
Ein Begriff, der auf alle möglichen Welten angewendet werden kann, unterscheidet keine Welt von einer anderen und verliert somit seine semantische Funktion [1].
3. Logische Struktur: Regressus ad infinitum und progressus ad infinitum
Die Simulationsthese impliziert sowohl einen #Regress als auch einen #Progress ins Unendliche.
#Regressus ad infinitum: Jede simulierte Welt könnte selbst eine Simulation simulieren.
#Progressus ad #infinitum: Wenn unser Universum simuliert ist, muss es etwas simulieren, das simuliert oder nicht simuliert ist – beide Optionen erzeugen unendliche Vertiefung.
Diese Strukturen führen zu 2 Problemen …
3.1 #Erklärungsleere
Eine #Hypothese, die unendliche #Kausalketten oder Strukturketten nahelegt, ohne die Kette zu begrenzen, erklärt nichts. Sie verschiebt die Frage ins Unendliche und verhindert dadurch jede Form von Explikation.
3.2 Verlust des Realität/Simulation #Dualismus
Wenn es keine primäre, nicht simulierte Basis gibt und jeder Layer simuliert sein kann, verliert die Unterscheidung Simulation/Realität Bedeutung.
Satz 2
Eine #Theorie, die ihre eigene kategoriale Grundlage negiert, ist selbstnegierend.
4. Anthropomorphismus: der stille Hintergrundfehler
Die Simulationsthese setzt voraus, dass außeruniverselle Akteure computationale Technologien nutzen, rationale Zwecke verfolgen, Interesse an Simulationen besitzen, Eigenschaften haben, die denen menschlicher Agenten strukturell ähneln.
Dies ist ein klassischer #Anthropomorphismusfehler. Die Projektion menschlicher Motivationen, Konzepte und kognitiver Strukturen auf hypothetische nicht menschliche Akteure lässt sich jedoch nicht begründen.
Die These wird dadurch abhängig von den Bedingungen desjenigen Systems, das sie zu relativieren vorgibt – ein selbstreferenzieller Widerspruch.
4.1 Wer ist Player und wer ist NPC?
Bin ich der einzige »Player« in dem ganzen? Und alle anderen sind NPCs? Ohne es zu wissen? Oder ist es jemand anderes? Oder alle? Dann wird alles letztlich irgendwie zirkulär – ein logischer #Zirkelschluss, wenn man so will.
5. Physikalische Inkohärenz: das »#Hardware« Argument
Simulationen setzen voraus, dass das simulierende System eine geringere Komplexität modelliert als die eigene Komplexität. Unser Universum enthält jedoch dynamische Prozesse, die nicht trivial berechenbar sind …
Quantenfeldtheorien mit unendlichen Freiheitsgraden
Chaotische dynamische #Systeme
Mehrkörperprobleme ohne geschlossene Lösungen
Unentscheidbare Strukturen in der fundamentalen Physik
Daraus folgt …
Satz 3
Kein System kann konsistent eine exaktere und komplexere Dynamik simulieren, als seine eigene Struktur erlaubt.
Eine vollständige Simulation unseres Universums müsste also mindestens die Komplexität unseres Universums besitzen oder übersteigen – womit der Begriff »Simulation« erneut kollabiert.
6. Epistemische Irrelevanz (»So what?«)
Selbst wenn die Simulationsthese wahr wäre, hätte sie in unserem epistemischen Rahmen keinerlei Konsequenzen …
#Physik bliebe identisch.
#Wahrnehmungen blieben identisch.
#Kausalität bliebe identisch.
#Handlungen und Werte blieben identisch.
Damit ist die Theorie #epistemisch #inert. Sie erzeugt keinen Erkenntnisgewinn und ermöglicht keine überprüfbaren Vorhersagen.
Satz 4
Eine Hypothese ohne mögliche weltverändernde Konsequenzen ist epistemisch trivial.
7. Die Simulationsthese als ästhetische Möglichkeit
Während die Simulationsthese wissenschaftlich unbrauchbar ist, besitzt sie ästhetische und metaphysisch kreative Produktivität. Sie erzeugt …
Alternative Möglichkeitsräume
Narrative Potenziale
Reflexionsfiguren über #Identität und #Kontingenz
Künstlerische Irritationen
In diesem Sinne ist die These nicht bedeutungslos, sondern bedeutungsvoller als #Kunst denn als Erkenntnis.
Das entspricht der Formulierung »Unverifizierbare Hypothesen ohne Erklärungsmehrwert sind Kunst, weil sie Möglichkeitsräume öffnen.« Im Bereich der Kunst ersetzt der Erklärungsmehrwert den Möglichkeitsmehrwert. Hier wird die Simulation nicht zur Theorie, sondern zum poetischen #Medium.
8. Schluss
Die Simulationsthese scheitert als philosophische Theorie, weil sie …
Begrifflich instabil ist
Logisch regressiv und progressiv unendlich ist
Anthropomorphe Voraussetzungen macht
Physikalisch inkohärent ist
Epistemisch keine Konsequenzen besitzt
Ihre Stärke liegt nicht in der Erklärung der Welt, sondern in der Eröffnung einer Vielfalt alternativer Denkformen, die im Bereich der Kunst und der Fiktion ihren Ort haben.
Anhang A: das Universum als Kunst – eine ästhetische Alternative zur Simulationsthese
A.1 Einleitung
Während die Simulationsthese versucht, die Natur des Universums über eine technische Metapher zu erklären, eröffnet die These »Das Universum ist Kunst« eine alternative, immanente und ästhetisch orientierte Perspektive. Im Gegensatz zur Simulationsthese, die regressanfällig, anthropomorph und erkenntnistheoretisch inert ist, erweist sich die Kunstthese als kohärent, fruchtbar und konzeptuell stabil. Der folgende Anhang skizziert die Grundzüge dieser Perspektive.
A.2 Warum die Kunstthese kohärenter ist als die Simulationsthese
Die Simulationsthese setzt zwingend ein Außen voraus: eine höhere Realitätsebene, in der die Simulation »läuft«. Die Kunstthese hingegen benötigt keine transzendente Meta Ebene. Kunst ist keine technische Operation, sondern ein Relationsbegriff: Sie bezeichnet nicht die mechanische Entstehung, sondern die ästhetisch bedeutsame Erscheinungsform eines Phänomens.
Satz A1
Eine #ontologische #Perspektive, die keine zusätzliche Realitätsebene voraussetzt, ist strukturell stabiler als eine Perspektive, die notwendig auf eine transzendente Instanz verweist. Damit vermeidet die Kunstthese den zentralen instabilen Punkt der Simulationsthese.
A.3 Kunst als Möglichkeitsraum
Kunst ist nicht erklärungsorientiert, sondern bedeutungsorientiert. Sie muss keine mechanistische oder teleologische Funktion erfüllen; sie eröffnet Spielräume der Interpretation und ästhetische Offenheit.
Die Simulationsthese versucht, die Welt zu erklären. Die Kunstthese versucht, die Welt erfahrbar zu machen.
Damit eignet sich die Kunstthese besser zur Beschreibung einer Welt, die von Kontingenz, Emergenz und Offenheit geprägt ist.
A.4 Regressfreiheit und Progressfreiheit
Die Simulationsthese erzeugt sowohl einen Regressus ad infinitum (Simulationen von Simulationen) als auch einen progressus ad infinitum (Simuliertes simuliert etwas Simuliertes). Die Kunstthese ist von solchen Strukturen frei: Ein Kunstwerk benötigt kein weiteres Kunstwerk, von dem es eine Kopie wäre, und es erzeugt keine unendlichen Abstammungsketten.
Kunst ist immanent, nicht »verschachtelt«.
Satz A2
Eine #Theorie, die keine unendlichen ontologischen Ketten erzeugt, ist begrifflich ökonomischer und konsistenter.
A.5 Freiheit vom #Anthropomorphismus
Während die Simulationsthese anthropomorphe Annahmen über Motivationen, Zwecke und technische Mittel eines hypothetischen Simulators macht, ist die Kunstthese davon unabhängig. Kunst benötigt keinen intentionalen Künstler; sie kann als emergentes Phänomen verstanden werden.
Beispiele in der Philosophie
#Nietzsche: Kunst ohne Künstler; Welt als ästhetische Erscheinung.
#Duchamp: Kunst durch Kontext, nicht durch Ursprung.
#Borges: Welt als selbstschreibendes Werk.
Die Kunstthese ist damit nicht anthropozentrisch, sondern kontingenzsensibel.
A.6 Physikalische Passung
Die Simulationsthese stößt an physikalische Grenzen: Eine Simulation kann keine höhere Komplexität exakt berechnen als das System, auf dem sie läuft. Die Kunstthese hat dieses Problem nicht. Sie macht keinerlei Annahmen über Rechenoperationen, Informationssubstrate oder algorithmische Strukturen.
Das Universum muss nicht »auf etwas laufen«, sondern kann sich selbst organisieren. Dies korrespondiert mit modernen Konzepten wie …
#Prozessontologie (Whitehead)
A.7 Epistemische und ästhetische Konsequenzen
Statt irrelevant zu sein (wie die Simulationsthese), ist die Kunstthese auf einer anderen Ebene bedeutungsvoll …
Sie verändert unsere Wahrnehmung der Welt.
Sie erlaubt eine nicht reduktionistische Sichtweise.
Sie fördert die Idee von Welt als Werk statt als Maschine.
Sie eröffnet Perspektiven auf Sinn, ohne teleologisch zu werden.
Sie respektiert Kontingenz und Offenheit.
Kunst ist nicht die Erklärung der Welt, sondern ihre Darstellbarkeit.
A.8 Kunst ohne Künstler: die stärkste Formulierung
Die These »Das Universum ist Kunst« setzt keinen intentionalen Autor voraus. Sie kann in 3 Varianten formuliert werden …
#Theistische Variante: Ein Schöpfer als Künstler.
#Humanistische Variante: Die Welt wird durch menschliche Erfahrung zum Kunstwerk.
#Ontologische Variante (die philosophisch stärkste): Das Universum ist ein ästhetisches Phänomen, unabhängig von einem Produzenten.
Diese 3. Form ist nicht anthropomorph, nicht regressanfällig, und kompatibel mit einem monistischen Weltbild.
A.9 Fazit
Die These »Das Universum ist Kunst« ist kein spekulativer Ersatz für die Simulationsthese, sondern deren philosophisch ernstzunehmende Alternative …
Sie ist kohärenter
Sie ist nicht #dualistisch
Sie ist nicht regressanfällig
Sie ist ästhetisch fruchtbar
Sie ist existenziell bedeutsam
Sie ist konsistent mit moderner #Physik und #Prozessphilosophie
Wo die Simulationsthese versucht, Welt zu reduzieren, erweitert die Kunstthese unseren Möglichkeitsraum. Sie macht die Welt nicht kleiner – sie macht sie reicher.
1. Vgl. die klassische Diskussion in der analytischen Semantik über »leere Kontraste« bei Carnap und Quine.
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